Big Data, Big Brother und wir

dataVon einer Frau, die Dienste des Portals Amazon regelmäßig nutzt, weiß der Konzern früher über ihre Schwangerschaft Bescheid, als die Frau sie bemerkt hat. Mit diesem Szenarium wartet der WDR Dokumentarfilm „Allmacht Amazon“ auf. Wer sich diesen Film anschaut, beginnt zu verstehen, dass dies kein Sciencefiction, sondern heute schon zum Teil Realität ist. Wie kann das sein?

Die „Digitalisierung“ ist in aller Munde und erfasst zunehmend alle unsere Lebensbereiche und verändert diese in vielerlei Weise grundlegend. Immer kleinere und leistungsstärkere Computer begleiten uns auf Schritt und Tritt und machen uns das Leben vermeintlich bequemer. Diese Maschinen nennen sich nicht nur „smart“. Mit der von uns darauf installierten Software werden diese kleinen Maschinen immer mehr zu Robotern, die mit sogenannter künstlicher Intelligenz ausgestattet sind. Möglich wird das durch das Tracken unseres Verhaltens, also das Protokollieren und Sammeln von personenbezogenen Daten, die wir mit Hilfe dieser Maschinen ständig selber produzieren. Wenn nun viele solcher Datenquellen verknüpft werden, ermöglicht dies aufschlussreiche Auswertungen.

Manche meinen, diese Daten seien DIE Ressource, das neue Öl, das unsere Gesellschaft antreibt. Andere sprechen von diesen Daten als das Grundwasser, das alles durchdringt. Sie sind der Humus, Produkt unseres analogen Handelns und gleichzeitig Keimzelle für Neues, für Wachstum und Innovation. Aber eben nicht nur dieses! Auch Gefahren drohen und Missbrauch wird möglich.

Wer hat Zugang zu dieser neuen „wundervollen“ Ressource und wer bestimmt darüber, wozu sie genutzt werden soll? Die Antworten auf diese Fragen werden darüber entscheiden, in was für einer Gesellschaft wir in Zukunft leben werden.


In den letzten 20 Jahren haben sich IT Konzerne entwickelt, die es durch ihre oft vermeintlich „kostenlosen“ und bequemen Angebote von uns fast unbemerkt geschafft haben, an Unmengen unserer Daten zu gelangen. Das menschliche und soziale Bedürfnis, Dinge mit Mitmenschen zu TEILEN, wird dabei von den Firmen, die dafür die neuartige digitale Infrastruktur bereitstellen, bis auf das kleinste für ihre kommerziellen Zwecke ausgenützt. Jegliches soziales Verhalten wird dabei innerhalb der von ihnen geschaffenen digitalen Netzwerke protokolliert und kommerzialisiert. Daten werden zu Geld gemacht.

Immer feinere und genauere Datenanalyseverfahren ermöglichen es denjenigen, die im Besitz unserer Daten sind, Rückschlüsse auf unsere ganz persönlichen Lebensumstände zu ziehen. Wer unsere Verhaltensweisen und vermeintliche Zukunft kennt, kann versuchen, unser Leben zu seinen Gunsten und Interessen zu beeinflussen oder gar lenken.

Digitale Selbstverteidigung

Faszinierend und furchterregend zugleich dringen utopisch anmutende Kontrollszenarien immer mehr in unser Leben ein. Die Smart City grüßt, Bewegungsprofile werden erstellt, Kameras und automatisierte Gesichtserkennungsverfahren sind allgegenwärtig. Oder auch Predictive Policing. So nennt sich eine Methode, mit der heute schon Täter VOR dem Begehen einer Tat dingfest gemacht werden sollen. Risikogruppen werden durch Big Data aufgespürt und vermeintlich geplante Verbrechen angeblich so verhindert.

Spinnt man diese skizzierten Anwendungsfälle weiter und verwebt sie miteinander, ist es absolut realistisch, auch die Schwangerschaft einer Frau auf Grund der Analyse scheinbar belangloser und unverfänglicher Daten vorherzusagen. Auch wie sich die betreffende Person in dieser Situation verhält, wird Teil der Prognose sein. Leben wird zu einer wohlkalkulierten Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Keiner kann sich diesen Kalkulationen komplett entziehen, und doch hat jeder am Ende seine Entscheidungen selber zu verantworten. Unser Beratungsteam versucht Möglichkeiten und Perspektiven aufzuzeigen, Hilfe auf unterschiedlichste Weise anzubieten, Mut zu machen und kann so immer wieder Entscheidungen ermöglichen, von denen vielleicht die betroffenen Personen erst nicht glaubten, dass sie die Kraft bzw. die Möglichkeit dazu hätten. Sind unsere Beratungsleistungen nun aber dabei auch schon Teil von Berechnungen der Datenwirtschaft?

Unser Verein kann der Digitalisierung nicht ausweichen. Wir sollten sie aber unbedingt mit unseren Mitteln und Sichtweisen mitgestalten und uns dabei nicht einfach Dingen
hingeben.

Mit unserer neuen Webseite versuchen wir bewusst, außerhalb der etablierten „Sozialen Netzwerke“ unser Angebot für Ratsuchende auch digital gut auffindbar zu machen. Dabei ermöglichen wir aber auch sogenannten WebCrawlern, Computerprogrammen, die ständig automatisch das World Wide Web durchsuchen, die auf unserer Webseite dargestellten Angebote zu erfassen und zu analysieren.

Digitale Selbstverteidigung ist angesagt! Protokollierte Verknüpfungen dieser von WebCrawlern in Indexen abgespeicherten Daten mit Suchanfragen einer konkreten Person sollten unbedingt verhindert werden. Die dazu nötigen Vorkehrungen können wir der suchenden Person allerdings nicht abnehmen. Vor den Profil-Trackern, z.B. der Suchmaschine, oder besser gesagt der Datensammelmaschine Google, muss sich der Suchende selber schützen. Das ist mit einem entsprechend sicheren und freien Webbrowser und zusätzlich installierten Plugins möglich.

Wenn wir alle noch besser lernen, mit den Computern und den von uns produzierten Daten eigenverantwortlich umzugehen, wenn wir das notwendige technische Wissen besitzen, digitale Medien achtsam, selbstbestimmt, zeitsouverän, bewusst und in kritischer Distanz zu nutzen, werden wir alle unseren Beitrag dazu leisten können, dass sich die Geister, die wir riefen, nicht am Ende gegen uns wenden.

Jean Christopher Burger

Über den Autor / die Autorin:
Jean Christopher Burger
Autor: Jean Christopher Burger
ehemaliges Vorstandsmitglied
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