Abschied nehmen – ein bedeutsamer Teil der Trauerarbeit

Fr.CelenkAbschied nehmen. Was heißt das genau? Wir verabschieden uns jeden Tag von Menschen. Wir sagen „Tschüss“ und „Bis bald“ und „Auf Wiedersehen“. In den meisten Fällen kommt es auch zu diesem Wiedersehen. Die Zeit zwischen diesem Abschied und dem Wiedersehen ist mal kürzer und mal länger. Doch was passiert, wenn es kein Wiedersehen mehr geben kann? Zumindest kein Wiedersehen mit unseren Sinnen, kein Sehen, kein Hören, kein Fühlen?

 

In unserer Arbeit ist das Thema des Abschieds allgegenwärtig. Der endgültige Abschied von einem Kind, auch von einem Baby, ist mit das Schwierigste, was Eltern verkraften müssen. Sowohl in der Konfliktberatung als auch im Beratungskontext nach Tot- oder Fehlgeburt stellt sich oft die Frage, ob überhaupt und wie ein Abschied gestaltet werden kann.

Auch wenn eine Frau sich bewusst für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet, ist es von großer Bedeutung, einen Blick auf diesen besonderen Bereich der Trauerbewältigung zu werfen. Zeit zu haben zum Abschiednehmen ist für Trauernde ein großes Geschenk. Stirbt ein Mensch bei einem Unfall, so wird er aus dem Leben gerissen. Angehörige und Freunde haben nicht die Möglichkeit, sich von dem noch Lebenden zu verabschieden. Doch genau diese letzten Minuten oder Stunden verbleiben oft tröstlich in Erinnerung.

Frauen, die ihre Schwangerschaft abbrechen, denken meist gar nicht daran, sich bewusst zu verabschieden. Viele Frauen meinen, dieses „Privileg“ stünde ihnen nicht zu, denn sie seien es ja, die das Ende der Verbindung verursachen. Umso wichtiger ist es, dass wir Beraterinnen diese Thematik einbringen. In der Beratung bedarf es Zeit und einen einfühlsamen Kontakt, dieses schwierige Thema anzusprechen und der Frau deutlich zu machen, wozu ein Abschied dient oder vielmehr dienen könnte. Abschied nehmen ist Teil der Trauer. Es bedeutet gleichzeitig sich zu erinnern, im Jetzt zu sein und nach vorne zu schauen. Dieser Prozess ist umso hilfreicher für die Trauerbewältigung, wenn er noch vor dem Schwangerschaftsabbruch startet. Die Frau hat die Möglichkeit, noch gemeinsam Zeit mit dem Kind zu haben, mit ihm zu sprechen und einen inneren Kontakt aufzubauen. Oftmals klingt diese Vorstellung für die betroffene Frau besonders grausam. Alles sträubt sich, wenn das Gespräch diese Wendung nimmt. „Wozu soll ich mich quälen?“ fragen mich die Klientinnen.

Meine Antwort ist oft: „Es gibt gute Gründe für Sie, wenn Sie glauben, diese Schwangerschaft nicht austragen zu können. Aber trotzdem gibt es eine Verbindung zwischen Ihnen und dem Kind. Um sich bewusst von einer bestehenden Verbindung lösen zu können, ist das Erleben dieser Verbindung sinnvoller als ein blindes Auseinanderreißen.“ Es wirkt heilsam auf die Frauen, wenn sie sich vergegenwärtigen, dass das ungeborene Kind trotzdem einen Stellenwert hatte und dass es auch gesehen wurde.

Doch wie gestaltet sich Abschied in der Trauer? Es gibt zahllose, Möglichkeiten Abschied zu nehmen. Erlaubt ist das, was der Frau oder dem Paar gut tut. Abschiedsrituale werden häufiger bei einer Tot- oder Fehlgeburt praktiziert als bei einem Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten zwölf Wochen. Als Beispiel ist hier die Namensgebung zu nennen. Erhält das Kind einen Namen, dann wird ihm eine große Wertschätzung entgegengebracht. Das Kind erhält eine eigene Identität. Die Eltern können untereinander und mit anderen über ihr Baby als Persönlichkeit sprechen.

Frauen im Schwangerschaftskonflikt tun dies eher selten. Sie schreiben manchmal einen Brief an das ungeborene Baby. Dieser Brief kann sehr emotional geschrieben und teilweise seitenlang sein. Als Zeichen der Vergänglichkeit verbrennen einige Paare diesen Brief und schicken ihre Gedanken und Worte gen Himmel. Es gibt aber auch Mütter und Väter, die einen Stein, oder ein kleines Kuscheltier symbolisch an einer für sie bedeutsamen Stelle vergraben. Doch es gibt auch sogenannte „stille Abschiede“: Frauen, die nochmal still mit ihrem Kind sprechen, um Verzeihung und/oder Verständnis bitten.

Vielleicht ist die Frau aber nach dem Abbruch oder nach einer Fehlgeburt völlig blockiert und auch schockiert. Dann funktionieren die Frauen oft nur noch und der Prozess des Abschiednehmens beginnt gar nicht erst. Erreichen wir diese Frauen dann Wochen oder Monate später wieder in der Beratung, erklären wir Ihnen, dass Abschied nehmen nicht zeitlich begrenzt ist. Abschied nehmen kann auch nachgeholt werden. Viele Paare berichten davon, dass der errechnete Geburtstermin ein bedeutsames Datum ist. Solche Gedenktage helfen uns Menschen dabei, uns zu erinnern. Sie erlauben uns, an diesen Tagen aus dem Alltag auszubrechen und uns intensiv mit unserer Trauer zu beschäftigen. All diese Abschiedsmöglichkeiten oder Rituale ermöglichen der Frau oder dem Paar ein Wiedersehen ohne Sinne, ein Wiederspüren, wenn man so mag.

Und nun möchte ich mit den Worten des amerikanischen Poeten und Autors Stephen Levine enden, der einmal sagte: „Heilen bedeutet, mit Liebe berühren, was man einst mit Schmerz und Angst berührte.“

 Filiz Celenk

Beraterin

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