Seit etwas über einem Jahr arbeite ich als Schwangerschaftsberaterin und bin an manchen Tagen immer noch überwältigt. Ich möchte versuchen, einen Einblick in die Vielschichtigkeit der Schwangerschaftsberatung bei donum vitae zu geben.
Als Beraterin im sozialen Kontext war ich zuvor schon eine Zeit lang tätig, aber die Schwangerschaftsberatung war ein komplett neues Feld für mich. Zunächst habe ich allgemein zu Fragen in der Schwangerschaft beraten und schließlich bin ich auch in die Schwangerschaftskonfliktberatung eingestiegen.
Im Kalender steht ein Termin für eine allgemeine soziale Schwangerenberatung. Ich gehe im Vorfeld also davon aus, dass es einige Fragen zu Schwangerschaft und Geburt geben kann. In den meisten Fällen handelt es sich dann um einen Antrag für finanzielle Unterstützung durch die Bundesstiftung „Mutter und Kind“. Ich lade die schwangere Frau also zu mir ins Büro ein und frage, wie ich ihr helfen kann. Frau M. in diesem Beispiel explodiert förmlich vor Redebedarf. „Wissen Sie, ich habe es wirklich nicht einfach in meinem Leben gehabt und jetzt bin ich auch schon wieder schwanger“, beginnt sie. Es stellt sich eine Tiefe an Problemen dar und es geht erst mal gar nicht mehr darum, Gelder zu beantragen. Unerwartet ist Frau M. mit dem vierten Kind schwanger. Ihre älteren drei Kinder sind alles Mädchen und das ist für ihre Schwiegerfamilie aus Montenegro ein Problem. Frau M. ist in ihrem kulturellen Umfeld nämlich keine gute Frau, sie hat ihrem Mann noch keinen Sohn geboren. Ihr Mann und sie selbst sehen das anders, aber der familiäre Druck ist trotzdem hoch. Hinzu kommt, dass sie in Deutschland ganz allein sind und Schwierigkeiten haben, einen guten Job zu finden. Finanziell sieht es dementsprechend auch nicht rosig aus. Mit Frau M. habe ich mich anschließend öfter getroffen, denn alles in einem Gespräch zu klären und den benötigten Halt zu geben, ist nicht möglich.
Ein anderer Fall hatte sich im Vorfeld mit allgemeinen Fragen angekündigt. Es kommt eine junge Frau zu mir. Sie möchte einen Antrag, um finanzielle Unterstützung bei der Bundesstiftung stellen. Im Gespräch stellt sich heraus, dass sie erst im sechsten Monat von der Schwangerschaft erfahren hat. Sie hatte gesundheitliche Probleme, weswegen ihr die Anzeichen für die Schwangerschaft nicht aufgefallen sind. Ihr Arbeitgeber hat ihr in der Probezeit gekündigt. Sie ist vollkommen allein in Köln, lebt nicht mit dem Kindsvater zusammen, ihre Mutter ist früh verstorben, zum eigenen Vater besteht kein Kontakt. Schnell ist klar, Frau H. braucht mehr Unterstützung als nur in wirtschaftlicher Hinsicht.
Besonders im Kopf geblieben ist mir ein Fall, den ich länger begleitet habe. Die Klientin kam zu uns in die Beratung bereits mit der Ankündigung, dass sie eine Schwangerschaftsdepression entwickelt hatte. Wie vielschichtig aber ihre Probleme waren und dass diese von Paarproblemen bis zu fehlenden Bewältigung notwendiger Behördengänge reichten, stellte sich erst in den folgenden Beratungen heraus. Aufgrund ihrer Depression hatte Frau R. vieles nicht allein regeln können. In diesem Fall war ich als Beraterin neu gefordert. Heute ist Frau R. endlich bei ihrer Familie in der Nähe von Freiburg angekommen. Dort hat sie die familiäre Unterstützung, die sie benötigt. Auch die finanzielle Absicherung ist nun gewährleistet.
In einer Konfliktberatung, bei der die Frau über einen Schwangerschaftsabbruch nachdachte, habe ich einmal eine philosophische Diskussion über Moral und Ethik geführt. Ausgelöst von der Frau selbst, die sich fragte, warum ein Abbruch überhaupt bis zur 12. Schwangerschaftswoche erlaubt ist. In aller Achtung vor der Entscheidungs- und Selbstbestimmungsfreiheit der Frau stellte ich klar, dass ein Abbruch eben nicht erlaubt ist, aber durch die Konfliktberatung, in der wir für das Leben werben, straffrei bleibt.
Die Vielfältigkeit unserer Arbeit hat mich gleich zu Beginn schon sehr berührt und das tut sie auch heute immer noch. Manchmal gibt es Tränen während des Gesprächs, insbesondere wenn die Klientinnen die Tragweite begreifen, dass in einer Konfliktberatung die Entscheidung über Leben oder Tod eines noch ungeborenen Kindes vorbereitet wird.
Die Einblicke in die Lebensumstände der Menschen bewegen mich sehr. Sie machen mich aber auch dankbar: Dankbar vor allem dafür, dass ich Hilfen anbieten darf. Die Zusammenarbeit in unserem Team gibt mir Kraft, denn ich habe immer jemanden, den ich um Rat fragen kann.
Das Leben ist bunt und vielschichtig und genauso ist auch unsere Arbeit. Das macht die Arbeit bei donum vitae auch so spannend. Zu unseren Klientinnen sagen wir manchmal: „Ein Kind ist eine Herausforderung, aber keine Katastrophe“. Und so ist es auch mit der Beratung hier. Sie ist eine Herausforderung. Aber sehr oft schaffen wir es mit unserer Tätigkeit, Katastrophen abzuwenden und ein wenig Leichtigkeit ins Leben der Frauen zurückzubringen.
Elena Peters, Beraterin