Im Studium der Sozialen Arbeit ist die 80-tägige Praxisphase im fünften Fachsemester ein wichtiger Bestandteil des Lehrplans. In vorangegangenen Semestern erlernte Theorien, Konzepte und Methoden der Sozialen Arbeit sollen nun durch Praxiserfahrungen vertieft werden. Im besten Fall werden erste Inspirationen für das spätere Berufsleben gesammelt. So entsteht ein gewisser Druck, eine möglichst interessante und passende Einrichtung zu finden. Durch verschiedene Seminare bin ich auf die Schwangerschaftskonfliktberatung gestoßen. Sofort war mein Interesse geweckt. Nach einer genaueren Auseinandersetzung mit den vielfältigen Themen der Schwangerenberatung wusste ich, dass ich durch diese Arbeit am meisten Eindrücke für meinen weiteren Werdegang sammeln kann.
Anfangs habe ich mir Gedanken gemacht, wie die Situation als Mann in der Schwangerschaftskonfliktberatung wohl werden wird. Bis heute ist die Reaktion der meisten Leute, denen ich von meiner Praktikumsstelle erzähle, erst einmal Verwunderung oder gar Skepsis. Oft werde ich gefragt, wie es denn sei als Mann in der Beratung, ob es nicht eher ungewöhnlich ist und ob die Klientinnen nicht verschlossen auf einen Mann reagieren. Mittlerweile kann ich all diese Fragen mit einem klaren „Nein“ beantworten.
Offensichtlich gibt es schon einen natürlichen Unterschied zwischen den Geschlechtern im Erleben einer Schwangerschaft. Allein von der drastischen körperlichen Veränderung, die die Schwangerschaft mit sich bringt, ist direkt nur die werdende Mutter betroffen. Männer haben hingegen keinen Berührungspunkt mit Schwangerschaften, den sie am eigenen Körper erfahren. Auch durch hormonelle Veränderungen sind Männer, wenn überhaupt, nur indirekt betroffen. Es kann davon ausgegangen werden, dass auch das emotionale Erleben einer Schwangerschaft bei Männern anders ist als bei Frauen.
Hinzu kommt eine „gemachte“ Ungleichheit. Bei einem Blick auf die gängigen Verhütungsmittel wird deutlich, dass Verhütung hauptsächlich ein der Frau überlassenes Thema ist. Nicht nur die Wahl des Verhütungsmittels obliegt der Frau, sondern auch das Ertragen der Nebenwirkungen. Hinzu kommen beträchtliche Kosten. Aussagekräftig ist auch das ungleiche Verhältnis durchgeführter Vasektomien gegenüber durchgeführten Sterilisationen.
Eine Verortung der Verhütung als Thema, primär Frauen ansprechend, bedingt ebenfalls eine ungleich verteilt empfundene Verantwortung für ungeplante Schwangerschaften. Funktioniert das gewählte Verhütungsmittel nicht, so wird vor allem die Frau für einen Fehler verantwortlich gemacht. Dies bedingt unter anderem auch den Umgang mit einem Schwangerschaftsabbruch. Nicht nur körperliche, sondern auch psychische Folgen hat die Frau zu bewältigen. Die sehr häufige Einstellung des Partners „Egal wie du dich entscheidest, ich stehe hinter dir.“ nimmt der Frau nichts an Verantwortung ab. Ganz im Gegenteil, der Mann kann durch das Nichtentscheiden seine Verantwortung abgeben und sich gleichzeitig hinter der Aussage, unterstützen zu wollen, zurückziehen. Die Entscheidung und deren Folgen trägt die Frau. Allein. Eine klare Haltung von Männern in der Schwangerschaft, vor allem auch im Schwangerschaftskonflikt ermöglicht hingegen eine gemeinsame Bewältigung der Anforderungen.
Diese Darstellung ist natürlich stark gekürzt und bei weitem nicht so ausdifferenziert, wie sie sein müsste. Aber dennoch zeigen die Beispiele einen Handlungsbedarf. Differenzen, die durch die Sozialisation in unserer Gesellschaft entstehen und nicht selten von hierarchischen Strukturen geprägt sind, müssen als solche erkannt, hinterfragt und dekonstruiert werden.
So kann auch die Wahrnehmung der Rolle von Männern in der Schwangerschaft verändert werden.
Eine Wahrnehmung entfernt von einem klassischen hegemonialen Bild der Männlichkeit ermöglicht unter anderem auch einen Blick auf emotionale Belange des Mannes, die so sonst nicht berücksichtigt würden. Die Rolle in der Schwangerschaft würde dem Mann gerecht werden. Nun ist sie mehr als nur die einer „Randperson“, was natürlich auch wiederum mehr Verantwortung für den Mann nach sich zieht.
Meine Erfahrung der letzten fünf Monate ist, dass es nicht ungewöhnlich oder gar „komisch“ ist, als Mann in der Schwangerschaftskonfliktberatung zu arbeiten. Nur sehr selten wollte eine Klientin nicht, dass ich an dem Beratungsgespräch teilnehme. Es hat mir gezeigt, dass das Thema Schwangerschaft und viele dadurch entstehende Anforderungen Frauen sowie Männer betreffen. Ein Umgang mit eben diesen Themen als Mann ist darum meines Erachtens nicht ungewöhnlich, sondern schlicht natürlich und notwendig.
Die Vermutung, möglichst viele Erfahrungen, sowohl für meine persönliche Einstellung als auch für meine Haltung als Sozial Arbeiter zu sammeln, kann ich jetzt nur bestätigen. In den fünf Monaten konnte ich eine sehr spannende und abwechslungsreiche Arbeit in einem begeisternden Team miterleben und viel mehr Impressionen sammeln, als ich es mir zu Beginn vorgestellt habe. Für diese inspirierende Zeit bin ich sehr dankbar.
Stefan Schumacher, Praktikant