Der „Ausgrenzungsbeschluss“ der Deutschen Bischofskonferenz von 2006
„Bei dem privaten Verein donum vitae handelt es sich um eine Vereinigung außerhalb der katholischen Kirche.
Personen, die im kirchlichen Dienst stehen, ist eine Mitwirkung bei donum vitae e.V. untersagt. Auch der Austausch von Personal ist nicht gestattet.
Der Ständige Rat ersucht die Gläubigen, die in kirchlichen Räten und Mitwirkungsgremien sowie den kirchlichen Verbänden und Organisationen Verantwortung übernehmen, auf eine leitende Mitarbeit in donum vitae e.V. zu verzichten.“
Das sind die Kernaussagen der „Klarstellung zum Rechtsstatus der Initiative donum vitae e.V. und ihrem Verhältnis zur Schwangerschaftsberatung der katholischen Kirche in Deutschland“ – so der etwas umständliche Titel des Textes, den die deutschen Bischöfe am 20. Juni 2006 veröffentlichten. Unmittelbar danach haben führende katholische Laien gegen diesen Beschluss, der von vielen Katholiken, insbesondere aber von Mitgliedern und Mitarbeiter/innen von donum vitae als diskriminierend empfunden wurde, protestiert und seine Aufhebung gefordert. Aber dieser Vorstoß blieb ohne Erfolg.
Die Deutsche Bischofskonferenz: wir brauchen noch Beratungszeit.
Hoffnung auf eine Lösung des Konflikts kam auf, als die Deutsche Bischofskonferenz in ihrem Abschlussbericht zum Gesprächsprozess 2015 festhielt: „Im sogenannten „Unvereinbarkeitsbeschluss“ der Deutschen Bischofskonferenz vom 20. Juni 2006….. sehen viele eine bis heute nicht verheilte Wunde. Deshalb müssen dringend Wege der Versöhnung gefunden werden.“
Aber diese Hoffnung trog. Daher wandte sich die Mitgliederversammlung des Bundesverbandes donum vitae Anfang des vorigen Jahres an die DBK mit dem Ersuchen, den Beschluss aufzuheben. Der Vorsitzende der DBK, Kardinal Marx, teilte dem Bundesverband mit, die Bischöfe benötigten noch Beratungszeit: im Mittelpunkt steht vermutlich die Frage, welche kirchlichen Mitwirkungsoptionen für Mitglieder bzw. Leitungsverantwortliche von donum vitae gesehen werden.
Viele Katholiken: das ist schwer zu verstehen.
Viele Katholiken fragen sich, warum die Bischöfe die Mitglieder von donum vitae und ihre Berater/innen mit Sanktionen belegt haben und warum sie diese trotz der vielen Appelle nicht aufheben. Diese haben sich aus Gewissensgründen dafür entschieden, die Beratungsmöglichkeiten im staatlichen System weiter wahrzunehmen. Für diese Entscheidung können sie sich auch darauf berufen, dass Papst Johannes Paul II. ihre Tätigkeit nicht als „unsittliches Handeln“ bezeichnet hat. Sie sind Bürger eines Rechtstaates, zu dessen Staatszielen der Schutz ungeborenen Lebens gehört, und sie sind davon überzeugt, dass dieses Ziel am ehesten mit dem staatlichen Beratungssystem erreicht wird. Deswegen wohl hat sich Papst Johannes Paul II. seinerzeit nur an die Bischöfe gewandt und sie gebeten, ihren Beratungsstellen die Ausstellung von Beratungsscheinen zu untersagen. Er hat aber nicht die Gläubigen insgesamt angesprochen und ihnen die Beratungstätigkeit im staatlichen System untersagt.
Wenn Katholiken diesen Freiraum nutzen, dann kann und darf die Bischofskonferenz ihr Verhalten nicht bestrafen. Die Berufung auf den Satz, die Beratungstätigkeit „verdunkele das Zeugnis der Kirche“, ohne den Wahrheitsgehalt dieser Aussage zumindest für Deutschland belegt zu haben, legitimiert weder ein Berufsverbot noch einen Ausschluss engagierter Katholiken aus der Mitarbeit in kirchlichen Führungsgremien.
Es gibt meines Erachtens für die Lösung des Konflikts wohl nur zwei Wege: entweder die Bischöfe halten an dem „Unvereinbarkeitsbeschluss“ von 2006 fest und versuchen ihre Entscheidung in einem „Bischöflichen Wort“ überzeugend zu begründen. Dann kann sich ein Diskurs im katholischen Raum über die anstehenden Probleme entwickeln. Oder die Bischöfe erklären, dass auch donum vitae-Mitglieder und die Mitarbeiter/innen Vollmitglieder der katholischen Kirche sind ohne Einschränkung ihrer kirchlichen Mitwirkungs- und bürgerlichen Berufsrechte. Sie heben ihren Beschluss also auf.
Die bischöfliche Beratungszeit hat schon zu lange gedauert.
Dr. Rolf Eilers