Mein Name ist Annabell Sofie Reichenbach. Ich bin diplomierte Sozialarbeiterin und Sexualpädagogin und befinde mich derzeit in zusätzlichen Weiterbildungen im Bereich der Psychotherapie. Seit Sommer 2017 arbeite ich freiberuflich für donum vitae Köln in verschiedenen sexualpädagogischen Projekten.
Für donum vitae betreue ich zurzeit mehrere Schulen im Raum Köln, in denen ich Projekte für Mädchen im Alter ab etwa 12 bis 18 Jahren anbiete. Zusätzlich biete ich sexualtherapeutische Projekte für Frauen in der Justizvollzugsanstalt Köln an.
Verständnis für Werte
Jugend bedeutet, die bisherige Orientierung und den Halt zu hinterfragen, vielleicht auch zeitweise zu verlieren, um sich auf die Suche nach Neuem zu begeben. Jugendliche befinden sich in einem eigenständigen Lebensabschnitt, der von Selbstfindungsprozessen, von der erwachenden genitalen Sexualität und von der Auseinandersetzung mit Geschlechtlichkeit geprägt ist. Vielfältige Lebenswelten und spezielle Jugendkulturen stellen eine besondere Herausforderung dar.
Sexualpädagogik folgt der Idee, Jugendliche in ihren Suchbewegungen zu unterstützen, in der Fülle von Lebensweisen und Optionen ihre Konstruktion zu finden und die für sie passende Ausprägung der Sexualität in ihr Leben zu integrieren. Meine Angebote für Schüler unterstützen diese dabei, ein Verständnis für Werte und Orientierungen in Bezug auf Liebe und Sexualität zu gewinnen. Letztlich lässt sich diese Thematik und Arbeitsweise auch auf meine Arbeit mit erwachsenen Frauen in der JVA übertragen, welche sich genauso nach Orientierung und Halt sehnen und welche in ihren Fähigkeiten und ihrem Selbstbewusstsein gestärkt werden müssen. Auf Grund ihrer Erfahrungen und vergangenen Lebensweisen haben sie ein hohes Bedürfnis nach stabilen sicheren menschlichen Beziehungen und müssen lernen, wie diese aussehen und gestaltet werden können.
Auch sexuelle Gewalt ist ein Thema innerhalb der verschiedenen Projekte. Sexuelle Selbstbestimmung hört dort auf, wo die Grenzen eines anderen ohne dessen Einverständnis überschritten werden. Somit hat Sexualität immer auch mit Grenzen zu tun – und Sexualpädagogik mit Präventions- und Interventionsmöglichkeiten.
Mir ist in meiner Arbeit daran gelegen, Mädchen und Frauen in ihrer Wahrnehmung und ihrer eigenen Person und Haltung zu stärken und zu unterstützen.
Interkulturelle Arbeit
Interkulturelle Arbeit ist in jedem Projekt allgegenwärtig. Insbesondere im Bereich Höhenberg/ Vingst ist der Migrationsanteil innerhalb der Schulklassen sehr hoch, oftmals bis zu 80 Prozent. Sexualität wird kulturell geprägt und befindet sich damit im Spannungsfeld unterschiedlicher Kulturen. Dies kann in den Bereichen Geschlechterrollen, Sexualität, Partnerschaft und Familienplanung besonders deutlich werden, z.B. wenn das Reden darüber tabuisiert ist.
In meiner Arbeit bedeutet dies, dass es ein hohes Maß an Feinfühligkeit verlangt, allen Jugendlichen in der Gruppe gerecht zu werden.
Jugendliche aus verschiedenen Kulturkreisen sind manchmal mit gleichen, oft aber auch mit unterschiedlichen Fragestellungen beschäftigt.
So ist es beispielsweise bei Romamädchen auch heute noch oftmals Alltag, dass sie sehr früh heiraten (in der Regel mit 15 Jahren) und die Eltern den Partner auswählen. Ihre sexuelle Selbstbestimmung ist stark eingeschränkt. Immer wieder ist dieses Thema Teil des Projektes oder die Mädchen kommen nach der Veranstaltung ins Einzelgespräch, um beraten zu werden.
Es gilt oft, Mythen und angstauslösende Behauptungen aufzuklären.
Das Mittel der anonymen Fragestellung wird ebenfalls gern gewählt, da viele Themen für die Mädchen angst- und schambesetzt sind.
Nicht zuletzt bleibt in jedem Kurs mit Jugendlichen noch ein sehr prägnantes Thema: Digitale Medien. Sie sind aus unserem Alltag nicht wegzudenken und Jugendliche werden mit Smartphones, Apps und Internet selbstverständlich groß. Allerdings ist die Diskrepanz zwischen dem Umgang der Jugendlichen mit diesen Medien und dem Blick von Erwachsenen auf dieses Tun oft sehr groß. Die Erwachsenen sehen eher die Gefahren. Nicht ganz zu Unrecht, denn Cyber Mobbing, Sexting oder Cyber Grooming sind zwar nicht zwingend neue Phänomene, sie haben aber durch die technischen Möglichkeiten ein bisher unbekanntes Ausmaß angenommen. Oft unbedacht werden von Kindern und Jugendlichen Daten versendet, über deren Verbleib und Verwendung sie die Kontrolle verlieren.
Doch jenseits dieser Gefahren liegt auch eine große Chance, denn dieses starke Medieninteresse der Jugendlichen kann als Zugang genutzt werden, um mit ihnen zum Thema Liebe, Sexualität und digital-medialer Verantwortung ins Gespräch zu kommen.
Die sexualtherapeutische und -pädagogische Arbeit ist mir eine Herzenzangelegenheit und ich freue mich auf viele neue Projekte und Herausforderungen.
Die stetig positiven Rückmeldungen der Teilnehmer zeigen die Wichtigkeit unserer Aufgabe.
Annabell Sofie Reichenbach
- Sexualpädagogin -