Wir sprachen mit Herrn Prof. Dr. Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)
- Herr Prof. Sternberg nach Ihrer Wahl zum Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) haben Sie gefordert, dass das Engagement katholischer Christen in der Schwangerschaftskonfliktberatung bei donum vitae auch von den Bischöfen gewürdigt werden sollte.
Nach meiner Wahl habe ich einige Briefen erhalten, in denen gefordert wird, das Zentralkomitee solle sich doch mehr einsetzten für das ungeborene Leben. Dazu möchte ich in aller Klarheit sagen: Wenn sich irgendjemand in diesem Land konsequent für das ungeborene Leben eingesetzt hat, dann war es das Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Das war über Jahre hinweg sogar das beherrschende Thema des Zentralkomitees.
Und dass dann die Katholiken bei einer gesetzlichen Regelung, die einzigartig ist in Europa, nämlich einer Pflicht zur Beratung vor der Abtreibung, einer Beratung, die dem Schutz des ungeborenen Lebens dienen muss, gesagt haben: da werden wir jetzt mithelfen, dass diese Beratung auch geschieht, - dann ist das ein Einsatz für das ungeborene Leben von hohem Grad. Es gehört zu den erschreckenden Erfahrungen, dass in der Folgezeit dieser Einsatz so verdreht wurde, dass in der Weltkirche der Eindruck entstehen konnte, das Zentralkomitee, die Laien in Deutschland, seien für Abtreibung. Nichts ist falscher.
Die Gründung von donum vitae hat damit zu tun, dass eine Regelung, die die deutschen Bischöfe in ihrer Mehrheit wollten und die mehrere Jahre im Auftrag der Bischöfe durch Caritas und SKF realisiert wurde, in unserem Land auch aufrechterhalten werden sollte, gerade weil sie so konsequent dem Lebensschutz diente und weiter dient. Hunderte, wahrscheinlich tausende von Kindern sind geboren worden, weil die Beratung zum Leben bei donum vitae stattfindet. Dass noch einmal einer Frau vor der Abtreibung gesagt werden kann: „Halt inne, überleg, vielleicht gibt es andere Wege als die Abtreibung“. Das ist ein großartiger Einsatz für das Leben, der jede Achtung und Anerkennung verdient. Und das hat nichts, aber auch gar nichts zu tun mit einer Zustimmung der Katholiken zur Abtreibung.
- Die Mehrheit der Bischöfe war damals für den Weg, den donum vitae dann gegangen ist und wurde vom Vatikan daran gehindert. Glauben Sie, dass die Bischöfe heute einen Weg suchen würden zur Anerkennung von donum vitae, denn das würde ja doch gegen den Papst gehen, auch wenn das jetzt ein anderer Papst ist?
Nein, ich glaube nicht, dass da irgendetwas gegen den Papst gehen muss. Worum es im Augenblick geht, ist, dass man den Einsatz von donum vitae für das Leben im Grundsatz anerkennt und dass man das Engagement der Laien hier respektiert. Das sehe ich auch in der Bischofskonferenz so. Das Wichtigste scheint mir im Augenblick, dass der Unvereinbarkeitsbeschluss zurückgenommen wird, der beinhaltet, dass hauptamtliche Mitarbeit bei donum vitae daran hindert, hauptamtliche Mitarbeiter oder hauptamtliche Mitarbeiterin in kirchlichen Einrichtungen wie der Caritas zu werden. Das muss überwunden werden und dafür werden wir uns einsetzen.
Ich glaube wir haben nichts damit gewonnen, wenn wir das Ganze jetzt politisch hochziehen, und einen öffentlichen Eklat daraus machen. Denn der wird nur dazu führen, dass alle den Sturmriemen am Helm fester ziehen und sich zurückziehen auf Positionen, die vielleicht inzwischen doch überwindbar sind. Wir sollten in einer neuen Generation von Akteuren, wieder einmal ruhig darüber nachdenken, wie die Ausgangslage damals gewesen ist. Es geht nicht um ein Gutheißen, es geht um eine respektvolle Haltung für den von den betroffenen Laien gewählten Weg zum Schutz des Lebens. Man muss den Weg nicht billigen, aber man soll ihn respektieren.
- Wie sehen Sie die Zukunft?
Donum vitae war und ist eine Erfolgsgeschichte. Aber ich glaube, um donum vitae als eine Vereinigung von katholischen Frauen und Männern zu bewahren - es ist ja kein katholischer Verein - ist eine stärkere Anbindung an kirchliche Strukturen dennoch sinnvoll. Ich glaube, dass es für die neue Generation von Katholiken bei donum vitae wichtig ist, eine kirchliche Anerkennung Respektierung zu erfahren, die wie gesagt nicht eine Billigung sein muss. Die Generation, die sich 20 Jahre lang mit großem Einsatz für donum vitae engagiert hat, tat das vor dem Hintergrund der Diskussionen um den § 218, Abtreibung und die Schwangerschaftskonfliktberatung. Das waren Debatten, die haben uns über Jahre hinweg intensiv begleitet und wir haben sie immer als Bischöfe und Laien gemeinsam, Seite an Seite geführt. Es gehört zu den Wertvorstellungen aller Katholiken nach dem 2. Weltkrieg, dass sie immer zusammenstanden: wir sind gegen Abtreibung. Und das ist bis heute so geblieben. Aber man muss das den jungen Leuten deutlich machen, damit sie wissen, was uns hier antreibt.
Mir wäre es am liebsten, wir kämen zu einer Duldung des Verbandes auch in einem weiteren Sinne: einem Verein in der Schwangerschaftskonfliktberatung als bürgerlichen Verein von Katholiken. Ob das möglich sein wird, weiß ich nicht. In einem Punkt habe ich Hoffnung: der Papst hat in seiner Enzyklika Evangelii Gaudium gesagt, dass ihm eine Kirche, die "verbeult" ist, weil sie hilft, lieber ist als eine strahlende Kirche, die von nichts berührt wird. Es ist ja dieses Kirchenbild, das hinter der Ablehnung von donum vitae steht. Aber das ist nicht das Kirchenbildes des 2. Vatikanums, das sich als dienende Kirche versteht, einen Dienst wahrnimmt. Wir werden helfen, wo wir können, wir werden auch dann helfen, wenn das vielleicht in der „Klarheit des Zeugnisses“ anders einfacher wäre, wie es die Gegner immer sagen. Aber die Klarheit des Zeugnisses war immer eindeutig.
Nur war die Bezeichnung der Schwangerschaftsberatungsbescheinigung als einer „Tötungslizenz“ seinerzeit eine ungeheuerliche Diffamierung und muss als solche auch benannt werden. Es gäbe nicht eine Abtreibung weniger, wenn es keine kirchliche Konfliktberatung gibt, es gäbe mit Sicherheit mehr.
- Nun sagen ja die Bischöfe: Die Frauen kommen ja zu uns, sie kommen zu Esperanza. Wir haben einen großen Zulauf und geben Hilfe.
Wir müssen unterscheiden zwischen Schwangerschaftsberatung und Schwangerschaftskonfliktberatung. Bei der Schwangerschaftskonfliktberatung geht es darum, ob eine Frau den Abbruch vornimmt oder nicht. Eine Frau, die sich bei Esperanza beraten lässt, muss ja eine 2. Beratung aufsuchen, wenn sie einen Abbruch vornehmen lassen will. Sie braucht die Beratungsbestätigung. Erlauben Sie mir, aus einer Pressemeldung der Bischofskonferenz von 1997 zu zitieren, die den Sachverhalt völlig korrekt beschreibt im Hinblick auf die damalige Beratungstätigkeit der kirchlichen Beratungsstellen: „Hier darf der Begriff der Konfliktberatung nicht verwischt werden: Es geht nicht nur um Frauen, die ihr Kind grundsätzlich behalten wollen, aber wegen einzelner Sachkonflikte ratlos sind (Partnerbeziehung, Ausbildung, Wohnung, finanzielle Fragen usw.), sondern um abtreibungswillige Frauen, mit denen um Leben oder Tod ihres Kindes gerungen werden muss. Nur im Kontakt mit diesen Frauen kann es gelingen, ihnen Wege aufzuzeigen und Hilfen anzubieten, dass sie Ja sagen können zu ihrem Kind. Unsere Beratungsstellen leisten hier einen ganz wichtigen Dienst; manches Kind wäre nicht geboren worden ohne diesen Einsatz vom Beraterinnen und Beratern in katholischen Beratungsstellen“ (Pressemitteilung der DBK vom 26.9.1997, S.3/4,Ziff2)
Hier sehen Sie den Grund, warum es donum vitae geben muss.
- Es gibt Beratungsstellen, die finanzielle Schwierigkeiten haben. Sehen Sie die Möglichkeit, dass die Kirche unterstützend eingreift?
Diese Möglichkeit sehe ich zurzeit nicht. Uns geht es um die Aufhebung des Unvereinbarkeitsbeschlusses und eine Respektierung der Arbeit von donum vitae.
- Ist Abtreibung heute überhaupt noch eine Frage in der Gesellschaft?
Die Ablehnung von Abtreibung gerät gelegentlich in den Geruch von Nachhutgefechten einzelner Hinterwäldler, weil sie von radikalen Gruppen so scharf geführt wird. Wir müssen immer wieder deutlich machen, dass Abtreibung alles andere als etwas Normales ist.
- Herr Prof. Sternberg, wir danken für das Gespräch
Mit Prof. Sternberg sprach Marie-Theres Ley, stellvertretende Vorsitzende von donum vitae Köln